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Der neue Rohmer: Les Amours d'Astrée et de Céladon

 
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Dr. Strangelove



Anmeldungsdatum: 02.08.2005
Beiträge: 1806

BeitragVerfasst am: 03 Aug 2007 21:59    Titel: Der neue Rohmer: Les Amours d'Astrée et de Céladon Antworten mit Zitat

Da ich auf diesen Film warte wie auf keinen zweiten denke ich, daß eine Ankündigung im besten deutschen Cinephilenforum durchaus nicht überflüssig erscheint. Der große Meister Eric Rohmer hat im hohen Alter von 87 Jahren einen neuen Film gedreht.

Er ist eine Verfilmung des ältesten Roman fleuves, der Astrée von Honoré d'Urfé (über 5000 Seiten) und heißt Les Amours d'Astrée et de Céladon.

Die Idee dazu stammte ursprünglich von Pierre Zucca (1943-1995), der den Film Rohmers Produktionsfirma Les Films du Losange angeboten hatte, damals aber mit Hinweis auf die Kosten eine Absage erhielt.

Rohmer hat das Szenario jedoch komplett neu geschrieben, es erinnert nahezu nichts mehr an Zuccas Erstfassung.

Hier mal ein paar Bilder aus dem Pressematerial:



Er kommt am 5. September in die französischen Kinos und wird im Vollbild zu sehen sein. Damit oben und unten nichts abgeschnitten wird, hat Rohmer bei 16:9 Bild links und rechts schwarze Balken einfügen lassen. Zumindest hat dies Rohmer in einem Interview mit Barbet Schroeder vom Herbst 2006 gesagt, welches in der hervorragend ausgestatteten Box seiner "Moralischen Erzählungen" beim Label Criterion erschienen ist.

Bei untenstehendem Link findet ihr auch das ausführlich bebilderte Presseheft zum Film mit einem langen und sehr interessanten Interviews. Vielleicht übersetze ich es euch mal bei Gelegenheit.

http://www.rezofilms.com/rezo.html --> Production -> Les Amours d'Astrée ... -> Liens et téléchargements -> télécharger les affiches et les images du film.

Ich berichte mal, sobald ich ihm im Dezember gesehen habe und hoffe, daß er es baldmöglich auch in die deutschen Kinos schafft. Denn sein letzter, Triple Agent kam ja erst gar nicht mehr bei uns im Kino und feierte erst drei Jahre später (!), 2007, seine deutsche DVD-Premiere.

Ab heute gibt es auch offiziell einen Trailer:
http://www.allocine.fr/video/player_gen_cmedia=18740153&cfilm=110238&hd=1.html

Ein paar Dinge zu Rohmers Literaturverfilmungen, die mir spontan einfallen: Er bekennt sich wie kein zweiter zum Stummfilm und zu seiner Vorliebe für historische Stoffe. Bereits 1978 hatte er mit Perceval le Gaullois einen Film in einer Weise gedreht, "als wenn es zu Zeiten Cretien de Troyes bereits den Cinematographen gegeben hätte." Man findet darin hochstilisierte Landschaften und Schlösser wie aus einer Illustration eines mittelalterlichen Buches entsprungen. Seine Vorliebe für Kleist kommt 1976 zum Ausdruck, als er Die Marquise von O... auf deutsch und mit deutschen Schauspielern dreht. Viele Einstellungen daraus sind durch Gemälde inspiriert. 2001 dreht er L'Anglaise et le Duc (Die Lady und der Herzog), bei dem er zum ersten mal die Schauspieler in digitale, wie gemalte historische Hintergründe kopiert. Denn da beispielsweise Gebäude wie die Bastille nicht mehr vorhanden sind, will er bewußt die Künstlichkeit hervorheben um auf diesem Weg gerade deshalb ein unglaubliches Maß an Realismus zu schaffen. 2003 drehte er Triple Agent, eine Spionagegeschichte, die auf wahren Motiven basiert und an inhaltlich an Fritz Lang erinnert. Das besondere daran ist, daß sie der Suspense hier im Kopf abspielt, und die im Film gesprochene Sprache ist so, wie sie in den 30ern wirklich gesprochen wurde. Nach dem Krieg kamen viele deutsche und amerikanische Elemente ins Französische. Obwohl äußerlich recht wenig geschieht ist es doch Kino auf dem schönsten und höchsten Niveau.

Für eine Annäherung an das Werk Eric Rohmers empfehle ich euch das Buch Le gout de la beauté, welches auf deutsch im Verlag der Autoren unter dem Titel Eric Rohmer: Der Geschmack des Schönen vorzüglich übersetzt vorliegt.
Außerdem gibt es einen ausnahmsweise hervorragend geschriebenen Wikipedia-Artikel, der einen Blick Wert ist.
Auf der Seite der Uni Stuttgart findet man erstmals den Text der Astrée auch in digitaler Form. Ein ungeheurer Arbeitsaufwand.
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"Un artiste est toujours jeune" Jean-Marie Straub
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Neophyte
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BeitragVerfasst am: 04 Aug 2007 12:19    Titel: Antworten mit Zitat

Also Rohmer hast du mir gegenüber ja schon öfter erwähnt, und die Bilder machen doch Lust auf mehr. Wird der hierzulande zu sehen sein? Was glaubst du?
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Dr. Strangelove



Anmeldungsdatum: 02.08.2005
Beiträge: 1806

BeitragVerfasst am: 04 Aug 2007 13:40    Titel: Antworten mit Zitat

Neophyte hat folgendes geschrieben:
Also Rohmer hast du mir gegenüber ja schon öfter erwähnt, und die Bilder machen doch Lust auf mehr. Wird der hierzulande zu sehen sein? Was glaubst du?


Hmm, das bleibt abzuwarten. Der Filme scheint jedoch durchaus das Potential zu haben, auch in deutschen Kinos erfolgreich zu sein.

Auch auf die Gefahr hin mich zu wiederholen, kopiere ich mal einen Text hier herein, den ich andernorts mal verfasst hatte, vielleicht mache ich ja etwas Appetit auf das Rohmerianische Universum:

Es ist schwierig zu sagen, ob Dir die Filme von Rohmer gefallen oder nicht. Er ist sicher einer der großen bescheidenen Filmemacher, die konstant Meisterwerke von hoher Qualität abliefern. Wohl niemand hat das Cinéma so durchdacht wie er und diese Überlegungen gehen bis in die Stummfilmzeit zurück.

Rohmer war lange Jahre Lehrer (er spricht auch deutsch) bis er in den späten 50er Jahren nach dem Tode des großen frz. Filmkritikers André Bazin zum Chefredakteur der einflußreichen Kritikerzeitschrift Cahiers du cinéma gewählt wurde, in der zur damaligen Zeit über grundsätzliche Fragen des Filmemachens recht hitzig diskutiert wurde, der Autorenbegriff entstand und deren Kritiker wie Truffaut, Godard und Rivette das damalige Kino gehörig aufknackten. Damals fragte man sich noch, wieso man etwas in Textform aufschreiben soll, wenn man es mit Bildern viel einfacher und präziser kann und nannte das Kamera-Stift (Caméra-Stylo). Rohmer kam von der Literatur (schrieb in den 40ern den Roman „Elisabeth“) und seine Meister hießen Murnau (wegen seiner „Raumorganisation“, über die er in den 70ern promovierte, und vor allem wegen dem Einfluß der Moral in vielen seiner Werke), Rossellini (wegen des Realismus) und Hitchcock (wegen des Suspense). Nach ausführlichen Analysen der Themen und Werke begann er in den 60ern seine „6 moralischen Erzählungen“ zu verfilmen. Meine Nacht bei Maud und Claires Knie sind sicher die bekanntesten dieser Jahre. Alle 6 Geschichten sind so aufgebaut, daß eine Person am Anfang eine Person scheinbar moralisch handelt, sie aber am Ende des Films durch den Einfluß dritter Personen unmerklich von diesem Weg abgebracht wird und als das Gegenteil enttarnt wird, ohne daß es der Figur zu Beginn des Filmes bewußt gewesen ist. Es wird auf hohem Niveau über Liebe, Philosophie, Literatur und Malerei und Musik diskutiert, und es kommt im Laufe der Handlung unmerklich Suspense in den Film. Alles wirkt wie improvisiert, ist aber das Ergebnis von tagelangen Interviews, die Rohmer mit den Schauspielern geführt hat, um frappierend realistische Filme zu drehen.

Die Bildsprache der bis auf eine Ausnahme (Pauline am Strand) in Vollbild gedrehten Filme ist durchgängig dem Stummfilm und der Malerei entlehnt, dasselbe gilt für Schnitte, den regelmäßigen Einsatz von Zwischentiteln (wie z.B. Sonntag, 23. September) usw. Rohmer selbst sagt, wenn man den recht dialoglastigen Ton abstellen würde, könnten seine Filme auch gut als Stummfilme durchgehen, obwohl sie auf den ersten Blick das Gegenteil zu sein scheinen.

In den späten 70ern dreht er ein sehr seltsames Werk mit dem Namen Perceval le Gaulois (übersetzt in etwa Parsifal der Gallier) und übersetzt dafür das Werk Cretien de Troyes aus dem Altfranzösischen und schreibt ein Drehbuch. Der ganze Film ist so aufgebaut und gedreht, wie nach Rohmers Aussage „Cretien de Troyes ihn im Mittelalter gedreht hätte, wäre damals schon der Cinematograph erfunden gewesen. Die Form der Bäume und Schlösser orientiert sich an der Malerei in zeitgenössischen Büchern, ebenso die Musik und die Dialoge. Am Ende bricht der Film plötzlich ab und verirrt sich, genauso wie der mittelalterliche Text nur als Fragment überliefert ist. Ein unglaubliches Werk, das heute wohl niemand drehen würde.

In den 80ern beginnt er abermals einen Zyklus, diesmal mit dem Namen „Komödien und Sprichwörter“. Sein bestes Werk daraus ist sicher der Film Das grüne Leuchten (welches man auf der verkorksten Arthaus-DVD ironischerweise nicht sieht ! Ich liebe den Film so sehr, daß ich nicht mal den Inhalt beschreiben könnte, ohne ihn zu verfälschen. In den 90ern dreht er seinen letzten „Jahreszeiten“-Zyklus, wobei für mich „Sommer“ sein bester ist. Ein junger Mann macht dabei Urlaub in einem französischen Fischerdörfchen und kommt wieder mit moralischen Fragen in Berührung. Ich selbst habe mich noch nie so gut wie in diesem Film portraitiert gefühlt, es ist fast schon unheimlich.

Seine letzten Filme waren Die Lady und der Herzog und Triple Agent. Ersterer erregte viel Aufsehen, weil Rohmer die Darsteller in digitale, gemalte Kulissen kopierte, was erstaunlich gut funktioniert und durch diese Verfremdung die Epoche besser darstellt, als es tumbes CGI je könnte. Der Film, der vollständig nach den Tagebüchern einer englischen Lady während dem Gemetzel der französischen Revolution erzählt wird wurde ein Flop, weil die Franzosen es nicht verwinden konnten, das ganze mal aus der Sicht des Adels zu sehen. Ähnliches ist kürzlich auch Sofia Coppolas Marie Antoinette widerfahren, welche die Franzosen auch nicht als „sympatisch“ sehen wollen. Für die Mehrheit ist sie immer noch die böse Österreicherin, die durch ihre Verschwendungssucht den französischen Adel in den Ruin treibt und nicht das unschuldige gutgläubige Kind im Stefan-Zweigschen Sinne, welches vom Versailles-Apparat zermahlen wird und sich deshalb in Luxus flüchtet. Sein bislang letzter Film Triple Agent beleuchtet eine Spionagegeschichte im Frankreich der 30er Jahre und wieder ist alles unter genialstem Einsatz von Schnitt, Ton und Kamera/Bildkomposition entstanden. Alle Personen sprechen ein Französisch, wie es heute nicht mehr existiert und welches nur Rohmer noch gekannt hat, d.h. frei von amerikanisch-deutschem Einlüssen der Nachkriegszeit, alles ist peinlichst genau so gemacht, daß es nicht nur realistisch ist, sondern wieder wie ein wie mit den Mitteln der damaligen Zeit gedreht scheint. Der Suspense erschließt sich allerdings hier auf intellektueller Ebene, es passiert fast nichts im Film.

Wie gesagt, sehr empfehlen kann ich Dir für den Einstieg ins Rohmer-Universum den Band aus dem „Filmverlag der Autoren“ mit dem Titel „Eric Rohmer: Der Geschmack des Schönen“, welches einer ganze Reihe von hochinteressanten Aufsätzen zum Kino enthält. Bei Lesen dieses Bandes wird Dir erstmal richtig klar, welche intellektuelle Tiefe heute im Kino verschwunden ist, wie sie aber ein Murnau durchaus noch hatte (beispielsweise wenn er Szenen in Nosferatu wie niederländische Gemälde aussehen läßt). Spontan würde ich Dir empfehlen Sommer, Das grüne Leuchten, Claires Knie, Wintermärchen und Meine Nacht bei Maud. In letzterem diskutieren 3 Personen über die theologischen Ansichten von Pascal, und der Film wurde ein absoluter Welterfolg! Wer kann das heute noch?
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"Un artiste est toujours jeune" Jean-Marie Straub
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Neophyte
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BeitragVerfasst am: 04 Aug 2007 13:53    Titel: Antworten mit Zitat

Dr. Strangelove hat folgendes geschrieben:
Neophyte hat folgendes geschrieben:
Also Rohmer hast du mir gegenüber ja schon öfter erwähnt, und die Bilder machen doch Lust auf mehr. Wird der hierzulande zu sehen sein? Was glaubst du?


Hmm, das bleibt abzuwarten. Der Filme scheint jedoch durchaus das Potential zu haben, auch in deutschen Kinos erfolgreich zu sein.

Auch auf die Gefahr hin mich zu wiederholen, kopiere ich mal einen Text hier herein, den ich andernorts mal verfasst hatte, vielleicht mache ich ja etwas Appetit auf das Rohmerianische Universum:

Es ist schwierig zu sagen, ob Dir die Filme von Rohmer gefallen oder nicht. Er ist sicher einer der großen bescheidenen Filmemacher, die konstant Meisterwerke von hoher Qualität abliefern. Wohl niemand hat das Cinéma so durchdacht wie er und diese Überlegungen gehen bis in die Stummfilmzeit zurück.

Rohmer war lange Jahre Lehrer (er spricht auch deutsch) bis er in den späten 50er Jahren nach dem Tode des großen frz. Filmkritikers André Bazin zum Chefredakteur der einflußreichen Kritikerzeitschrift Cahiers du cinéma gewählt wurde, in der zur damaligen Zeit über grundsätzliche Fragen des Filmemachens recht hitzig diskutiert wurde, der Autorenbegriff entstand und deren Kritiker wie Truffaut, Godard und Rivette das damalige Kino gehörig aufknackten. Damals fragte man sich noch, wieso man etwas in Textform aufschreiben soll, wenn man es mit Bildern viel einfacher und präziser kann und nannte das Kamera-Stift (Caméra-Stylo). Rohmer kam von der Literatur (schrieb in den 40ern den Roman „Elisabeth“) und seine Meister hießen Murnau (wegen seiner „Raumorganisation“, über die er in den 70ern promovierte, und vor allem wegen dem Einfluß der Moral in vielen seiner Werke), Rossellini (wegen des Realismus) und Hitchcock (wegen des Suspense). Nach ausführlichen Analysen der Themen und Werke begann er in den 60ern seine „6 moralischen Erzählungen“ zu verfilmen. Meine Nacht bei Maud und Claires Knie sind sicher die bekanntesten dieser Jahre. Alle 6 Geschichten sind so aufgebaut, daß eine Person am Anfang eine Person scheinbar moralisch handelt, sie aber am Ende des Films durch den Einfluß dritter Personen unmerklich von diesem Weg abgebracht wird und als das Gegenteil enttarnt wird, ohne daß es der Figur zu Beginn des Filmes bewußt gewesen ist. Es wird auf hohem Niveau über Liebe, Philosophie, Literatur und Malerei und Musik diskutiert, und es kommt im Laufe der Handlung unmerklich Suspense in den Film. Alles wirkt wie improvisiert, ist aber das Ergebnis von tagelangen Interviews, die Rohmer mit den Schauspielern geführt hat, um frappierend realistische Filme zu drehen.

Die Bildsprache der bis auf eine Ausnahme (Pauline am Strand) in Vollbild gedrehten Filme ist durchgängig dem Stummfilm und der Malerei entlehnt, dasselbe gilt für Schnitte, den regelmäßigen Einsatz von Zwischentiteln (wie z.B. Sonntag, 23. September) usw. Rohmer selbst sagt, wenn man den recht dialoglastigen Ton abstellen würde, könnten seine Filme auch gut als Stummfilme durchgehen, obwohl sie auf den ersten Blick das Gegenteil zu sein scheinen.

In den späten 70ern dreht er ein sehr seltsames Werk mit dem Namen Perceval le Gaulois (übersetzt in etwa Parsifal der Gallier) und übersetzt dafür das Werk Cretien de Troyes aus dem Altfranzösischen und schreibt ein Drehbuch. Der ganze Film ist so aufgebaut und gedreht, wie nach Rohmers Aussage „Cretien de Troyes ihn im Mittelalter gedreht hätte, wäre damals schon der Cinematograph erfunden gewesen. Die Form der Bäume und Schlösser orientiert sich an der Malerei in zeitgenössischen Büchern, ebenso die Musik und die Dialoge. Am Ende bricht der Film plötzlich ab und verirrt sich, genauso wie der mittelalterliche Text nur als Fragment überliefert ist. Ein unglaubliches Werk, das heute wohl niemand drehen würde.

In den 80ern beginnt er abermals einen Zyklus, diesmal mit dem Namen „Komödien und Sprichwörter“. Sein bestes Werk daraus ist sicher der Film Das grüne Leuchten (welches man auf der verkorksten Arthaus-DVD ironischerweise nicht sieht ! Ich liebe den Film so sehr, daß ich nicht mal den Inhalt beschreiben könnte, ohne ihn zu verfälschen. In den 90ern dreht er seinen letzten „Jahreszeiten“-Zyklus, wobei für mich „Sommer“ sein bester ist. Ein junger Mann macht dabei Urlaub in einem französischen Fischerdörfchen und kommt wieder mit moralischen Fragen in Berührung. Ich selbst habe mich noch nie so gut wie in diesem Film portraitiert gefühlt, es ist fast schon unheimlich.

Seine letzten Filme waren Die Lady und der Herzog und Triple Agent. Ersterer erregte viel Aufsehen, weil Rohmer die Darsteller in digitale, gemalte Kulissen kopierte, was erstaunlich gut funktioniert und durch diese Verfremdung die Epoche besser darstellt, als es tumbes CGI je könnte. Der Film, der vollständig nach den Tagebüchern einer englischen Lady während dem Gemetzel der französischen Revolution erzählt wird wurde ein Flop, weil die Franzosen es nicht verwinden konnten, das ganze mal aus der Sicht des Adels zu sehen. Ähnliches ist kürzlich auch Sofia Coppolas Marie Antoinette widerfahren, welche die Franzosen auch nicht als „sympatisch“ sehen wollen. Für die Mehrheit ist sie immer noch die böse Österreicherin, die durch ihre Verschwendungssucht den französischen Adel in den Ruin treibt und nicht das unschuldige gutgläubige Kind im Stefan-Zweigschen Sinne, welches vom Versailles-Apparat zermahlen wird und sich deshalb in Luxus flüchtet. Sein bislang letzter Film Triple Agent beleuchtet eine Spionagegeschichte im Frankreich der 30er Jahre und wieder ist alles unter genialstem Einsatz von Schnitt, Ton und Kamera/Bildkomposition entstanden. Alle Personen sprechen ein Französisch, wie es heute nicht mehr existiert und welches nur Rohmer noch gekannt hat, d.h. frei von amerikanisch-deutschem Einlüssen der Nachkriegszeit, alles ist peinlichst genau so gemacht, daß es nicht nur realistisch ist, sondern wieder wie ein wie mit den Mitteln der damaligen Zeit gedreht scheint. Der Suspense erschließt sich allerdings hier auf intellektueller Ebene, es passiert fast nichts im Film.

Wie gesagt, sehr empfehlen kann ich Dir für den Einstieg ins Rohmer-Universum den Band aus dem „Filmverlag der Autoren“ mit dem Titel „Eric Rohmer: Der Geschmack des Schönen“, welches einer ganze Reihe von hochinteressanten Aufsätzen zum Kino enthält. Bei Lesen dieses Bandes wird Dir erstmal richtig klar, welche intellektuelle Tiefe heute im Kino verschwunden ist, wie sie aber ein Murnau durchaus noch hatte (beispielsweise wenn er Szenen in Nosferatu wie niederländische Gemälde aussehen läßt). Spontan würde ich Dir empfehlen Sommer, Das grüne Leuchten, Claires Knie, Wintermärchen und Meine Nacht bei Maud. In letzterem diskutieren 3 Personen über die theologischen Ansichten von Pascal, und der Film wurde ein absoluter Welterfolg! Wer kann das heute noch?


Ich möchte Dir für die schnelle und wie üblich höchst Aufschlussreiche Antwort danken. Ich habe mir die Tipps notiert, und insb. Meine Nacht bei Maud hat eine Geschichte mit der ich mich sehr schnell angefreundet habe. Mal sehen was sich machen lässt, ich werde mich mal im Müller erkundigen ob sie welche da haben oder bestellen könnten. Denn Rohmer ist ja auch so ein klaffendes Loch in meiner filmischen Bildung, ähnlich wie Rossellini, von dem ich aber wenigesten schon ein Meisterwek kenne: Rom, offene Stadt.

EDIT: Ich habe eben mal Ebay nachgeschaut und die 4 von dir hervorgehobenen Filme gäbe es da alle für unter 11€ zu ersteigern.
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Sebastian



Anmeldungsdatum: 03.03.2005
Beiträge: 540
Wohnort: Köln

BeitragVerfasst am: 10 Aug 2007 13:24    Titel: Antworten mit Zitat

Dr. Strangelove hat folgendes geschrieben:
Das grüne Leuchten (welches man auf der verkorksten Arthaus-DVD ironischerweise nicht sieht !


Ähm, was dann, ein blaues Leuchten? Confused

Auf der englischen DVD war es jedenfalls zu sehen. Welche von den Arthaus DVDs kann kann man sich denn kaufen, also vom technischen Aspekt her und im Vergleich mit den ausländlischen Pendents? Wollte mir die eigentlich mal zulegen, spekuliere ja noch auf ne Box...
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Dr. Strangelove



Anmeldungsdatum: 02.08.2005
Beiträge: 1806

BeitragVerfasst am: 10 Aug 2007 14:18    Titel: Antworten mit Zitat

Sebastian hat folgendes geschrieben:
Ähm, was dann, ein blaues Leuchten? Confused
Auf der englischen DVD war es jedenfalls zu sehen. Welche von den Arthaus DVDs kann kann man sich denn kaufen, also vom technischen Aspekt her und im Vergleich mit den ausländlischen Pendents? Wollte mir die eigentlich mal zulegen, spekuliere ja noch auf ne Box...

Auf der deutschen Arthaus-DVD sieht man am Filmende das titelgebende grüne Leuchten eben schlicht nicht. Auf den ausländischen DVDs ist es jedoch klar und deutlich sichtbar.

Am besten ist natürlich die Criterion-Box, da sind aber nur die Moralischen Erzählungen enthalten. Diese ist aber in allen Belangen perfekt, weil hier Rohmer den Transfer überwacht hat.

Die deutschen DVDs sind eher durchwachsen bis schlecht. Ein paar Screenshots kann man sich hier rausfischen.

Hier mal ein paar Kurzwertungen der Arthaus-DVDs. Den Bonus bespreche ich nicht, weil der fast überall recht gut ist (Interviews, Kurzfilme u.a.)

Wintermärchen (Schlechtestes Bild der Reihe, aber ein verdammt guter Film)
Der Freund meiner Freundin (Bild OK, aber nicht so gut wie UK-Arrow-DVD)
Das grüne Leuchten (Bild OK, aber nicht so gut wie UK-Arrow-DVD)
Vier Abenteuer von Reinette und Mirabelle (Bild furchtbar schlecht)
Vollmondnächte (Bild noch OK)
Pauline am Strand (Bild identisch mit UK-Arrow-DVD)
Die schöne Hochzeit (Bild noch OK)
Die Liebe am Nachmittag (Bild noch OK)
Claires Knie (Bild im Vergleich zur Criterion katastrophal, deutscher Ton totgefiltert und ständiges Lispeln)
Meine Nacht bei Maud (Bild noch OK, aber kein Vergleich zur Criterion)
Die Sammlerin (Bild noch OK, aber kein Vergleich zur Criterion)

Kinowelt hat hier nach Belieben mal deutsche und mal französische Master verwendet, so daß man eine einheitliche Aussage über die Qualität der Filme nicht treffen kann. Obwohl die Kinowelt-Master oft schärfer als die von den UK-Arrow-DVDs sind, haben sie doch häßliche, dunkle Farbtöne und sind einfach unschön anzusehen.
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"Un artiste est toujours jeune" Jean-Marie Straub
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BeitragVerfasst am: 01 Sep 2007 07:50    Titel: Antworten mit Zitat

Auf der Arte Homepage findet man schöne Beiträge zu Rohmers neuem Film:

Eine lobende Kritik und ein Interview mit Andy Gillet.

Außerdem wird erklärt, wieso Rohmer nicht auf dem Titelblatt erscheinen will.
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4LOM
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BeitragVerfasst am: 13 Feb 2008 14:55    Titel: Antworten mit Zitat

Huch! Schaut mal. Ein Link zu diesem Thread hat es sogar auf die arte-WebSite geschafft:

Zitat:
Eine Vorstellung des neuen Filmes von Eric Rohmer, Les Amours d'Astrée et de Céladon, gefolgt von Beiträgen zu seiner Filmkunst, auf dem Cinephilenforum DVDuell.

Very Happy

In der FAZ wurde die Seite 2006 auch schon genannt.
Zitat:
Das führt bei DVD-Fans zu einer Briefmarkensammlermentalität der penibelsten Sorte. Und das ist auch gut so, weil das Internet das ideale Forum für solche Leute ist. Die verdienstvollen Seiten dieser Leute haben Namen wie dvduell.de oder dvdbeaver.com, dvdtimes.co.uk oder whiggles.landofwhimsy.com und natürlich zahllose andere, die man sich selbst erklicken muß, um hinterher den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen.
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Dr. Strangelove



Anmeldungsdatum: 02.08.2005
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BeitragVerfasst am: 14 Feb 2008 20:08    Titel: Antworten mit Zitat

4LOM hat folgendes geschrieben:
Huch! Schaut mal. Ein Link zu diesem Thread hat es sogar auf die arte-WebSite geschafft:
Zitat:
Eine Vorstellung des neuen Filmes von Eric Rohmer, Les Amours d'Astrée et de Céladon, gefolgt von Beiträgen zu seiner Filmkunst, auf dem Cinephilenforum DVDuell.

Very Happy

Freut mich, dass ich mit den paar Zeilen etwas Appetit auf die Filme eines der letzten großen Filmautoren alten Schlages machen konnte. Very Happy Rohmers Filme geben wie gute Literatur Antworten und zeigen, wie schön eine Welt sein könnte, in der mit Leichtigkeit das vorgelebt wird, was uns das Menschsein zur größten Freude macht: der Geschmack des Schönen, der Liebe und der Diskussion.
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Anmeldungsdatum: 02.08.2005
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BeitragVerfasst am: 28 Feb 2008 22:32    Titel: Antworten mit Zitat

Am 9. April 2008 wird in Frankreich übrigens die DVD des Films erhältlich sein. Ich hoffe sehr, daß wir in Deutschland nicht allzulange auf eine untertitelte Variante warten müssen.
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BeitragVerfasst am: 10 Apr 2008 22:25    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe heute Abend die DVD des Filmes gesehen. War der Film schon im Kino bei der ersten Sichtung gut, so gehört er der Sorte an, die bei jedem Sehen besser wird. Immernoch sehr erfrischend und durchzogen mit den besten Themen von Rohmers Filmen. Sehr schön war auch das Bonusmaterial, ein halbstündiges Interview mit Eric Rohmer von France Culture. Als er darin nach seinen Gedanken über das Altern gefragt wird, meint er, für ihn stelle sich die Frage gar nicht. Er fühle sich immernoch wie zwanzig, lediglich der Körper mache ihm seit ein paar Jahren zu schaffen. Und tatsächlich glaubt man während des Interviews die ganze Zeit einen jungen Menschen euphorisch reden zu hören, ständig freudig, lachend und voller Begeisterung und Hingabe. Mir ist da ein Kafka-Zitat eingefallen: "Jeder, der sich die Fähigkeit erhält, schönes zu erkennen, wird nie alt werden." Für Rohmer trifft dies völlig zu.
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BeitragVerfasst am: 20 Nov 2008 11:18    Titel: Antworten mit Zitat

Am 12. Januar erscheint unter dem Titel "The Romance Of Astrea And Celadon" in Großbritannien bei Artificial Eye endlich auch eine englisch untertitelte DVD des vorerst letzten Films von Eric Rohmer.
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BeitragVerfasst am: 16 März 2009 20:04    Titel: Antworten mit Zitat

Ein Rewie zum neuen Rohmer ist ebenfalls bei DVD-Beaver online. Der Rezensent wundert sich darin über die unterschiedlichen Angaben des Bildformates. Rohmer selbst nimmt dazu in dem Interview mit Barbet Schroeder von 2006 in der Criterion-Box Stellung:

Zitat:
"I continue using for example, for my next film, I'm using a fairly complicated procedure. I'll be shooting in 16mm, then it will be transferred to video, and then it will be printed on 35mm. [...]

In terms of aspect ratio, DVDs respect the choice of 1.33. My next film will be in 1.33. But in theaters, it's always been a struggle. It won't be shown in 1.33. Actually, yes, it will, but using a bit of gimmickry. The film will be in 1,85, but there'll be a black strip on each side of the frame, so on-screen it will be 1.33. The black strips are as dark as the black in the theater, so it's invisible."

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