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Artikel: Richard Lester

 
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HAL



Anmeldungsdatum: 28.03.2005
Beiträge: 194

BeitragVerfasst am: 15 Apr 2005 11:19    Titel: Artikel: Richard Lester Antworten mit Zitat

Die aktuelle "Schnitt"-Ausgabe befasst sich mit den Filmen des Regisseurs Richard Lester. Zwei der Artikel sind auch online abrufbar:

Ein großer Witz

Zitat:
1.
Zitat aus der Einleitung "Regeln für die Schauspieler" in Peter Handkes 1966 erschienenem, damals äußerst kontrovers diskutiertem Theaterstück "Publikumsbeschimpfung":

"[…] Die Beatles-Filme ansehen.
In dem ersten Beatles-Film Ringo Starrs Lächeln -ansehen, in dem Augenblick, da er von den anderen gehänselt worden ist, sich an das Schlagzeug setzt und zu trommeln beginnt. […]"

Handke, der in den 60er Jahren gerne auch als "Literatur-Beatle" verunglimpft wurde, zeichnete sich zu Anfang seiner schriftstellerischen Laufbahn vorwiegend als Manipulator von Pop-Strategien aus, die er ihrem angestammten Kontext entfremdete und sie in ein von Duchamp übernommenes "ready made"-Konzept überführte. Richard Lesters Beatles-Filme im Allgemeinen eigneten sich als archetypische Pop-Objekte der 60er Jahre sehr gut für Handkes Zwecke, doch bleibt die Frage, ob von den Filmen keine weitere Signalwirkung ausgeht als deren reines Vorhandensein.

2.
In den 60er Jahren wurden fiktive Filme und Fernsehshows mit Teenie-Idolen in den Hauptrollen zu einem begehrten Marketingmechanismus: Die unzähligen Elvis-Filme, die Monkees-TV-Show (zu deren Zweck die Monkees überhaupt erst gegründet wurden) und nicht zuletzt die auf der Höhe der Beatlemania entstandene, sogar recht lustige Zeichentrickserie The Beatles, in der die vier noch als pilzköpfige Teenie-Helden (und nicht als Künstler) verehrten Musiker auf einer endlosen Flucht vor ihren hysterischen weiblichen Fans dargestellt wurden. Der Running Gag hierbei war, welche Tricks sich die vier Gejagten immer wieder einfallen ließen, um der wild gewordenen Frauenherde zu entkommen.
Ähnlich funktioniert auch A Hard Day's Night: Einerseits Cross-Promotion-Objekt in Prä-MTV-Zeiten, andererseits aber der Versuch, dem biederen Schlipsträger-Image des Quartetts ein paar Kratzer zu verleihen. Anders nämlich als die erzwungene TV-Seriosität, die den Popstars bis in die späten 60er Jahre die Auftritte in den großen Shows ermöglichte, können die vier hier unter der Regie Richard Lesters die Pilzkopf-Sau rauslassen. Seltsam mutet das jedoch immer dann an, wenn das obligatorische musikalische Intervall erfolgt: Da sitzt man als Beatle schon mal Karten spielend im Gepäckwagen, wird kurz ausgeblendet und hat in der nächsten Einstellung plötzlich eine Gitarre in der Hand. Oder, im Falle Ringos, ein Schlagzeug vor sich.

3.
Fünf Filme haben die Beatles gedreht: A Hard Day's Night und Help! unter der Regie von Richard Lester, dazu den Animationsfilm -Yellow Submarine (den sie allerdings nicht einmal selbst synchronisiert haben), den TV-Weihnachtsfilm Magical Mystery Tour und schließlich die Dokumentation des Bandzerfalls Let it Be. Lange Jahre sah die "offizielle" Beatles-Geschichtsschreibung vor, all diese Filme, mit Ausnahme des visionären -Psycho-Trips Yellow Submarine, als gescheiterte Versuche zu dokumentieren, die musikalischen Genies auf der Leinwand zu etablieren. Während Lesters Filme als reine Auftragsarbeiten für Musiker wie Regisseur abgetan wurden, so galt die wahrhaft alberne Magical Mystery Tour als das erste große Scheitern der Beatles, und bei Let it Be mögen die Fans aus unverständlichen Gründen bis heute den rauhen musikalischen Blues-Touch nicht, mit dem sich die Band in ihren letzten Monaten umgab. Jedoch passierte vor einigen Jahren etwas, das im Beatles-Universum öfter mal vorkommt: eine Umevaluierung der Wertmaßstäbe. Im selben Maße, in dem die späten Kunst-Beatles nicht mehr zwangsweise den frühen wilden Rock'n'Roll-Beatles vorgezogenzogen wurden, betrachtete man auch die frühen Filme in einem anderen Licht.

4.
Wie sehr Richard Lester sich in seinen beiden Filmen mit den Vorgaben der Plattenfirma auseinandersetzt und sie mehr und mehr unterminiert, wird deutlich, wenn man sich vor Augen hält, auf welche Weise in den 50er und 60er Jahren ein Star-Vehikel noch funktionieren sollte. Hierzu muß man nicht mal nach -England oder in die USA blicken, sondern kann auch zu Hause in das dauergrinsende Antlitz von Elvis-Klon Peter Krauss schauen. Die Überrepräsentation moralischer Werte sollte in der medialen Darstellung der Musiker eine zentrale Rolle spielen und ein Image damals noch kontrapunktisch zur Wirklichkeit eingesetzt werden. Anders ausgedrückt: Jeder wußte, daß Elvis und die Beatles im Grunde ihres Herzens polternde Proleten waren, jedoch konnte man die Musiker einem Teenie-Publikum so nicht verkaufen, weil es sonst allzu sehr an ihre Working-Class-Realität erinnert wurde. Noch wichtiger wurde die Pflege dieses Pseudo-Images der Beatles, als deren Konkurrenzverhalten zu den Rolling Stones immer evidenter wurde. Typen wie Keith Richards konnte man nun wirklich nicht mehr domestizieren, also ließ man ihnen freien Lauf, während die Beatles ihre Krawatten ein wenig enger knüpfen mußten. Deswegen die Filme, aber was macht da Richard Lester? Er torpediert dieses Image unentwegt.

5.
Bereits in A Hard Day's Night kokettieren die Beatles mit dem Wissen um ihr von außen auferlegtes Saubermann-Image. Die Rollenverteilung bleibt erst einmal bestehen: Paul der Süße, John der Freche, Ringo der Lustige und George ist halt einfach da (und ist zudem der mit Abstand schlechteste Schauspieler der Vier). Doch bereits hier wird das scheinbar ausbalancierte Gleichgewicht zwischen Bravheit und Frechheit stets durch den Subtext konterkariert. In den Flirtszenen, im Umgang mit der Öffentlichkeit, in der Darstellung einer wohl typisch englischen Working-Class-Kid-Attitüde, deren impliziter Disrespekt für gesellschaftliche Regeln mehr als ein wenig an Alex aus Kubricks A Clockwork Orange erinnert. Daß dazwischen die braven Songs der Frühzeit, in denen man, anders als bei den Stones, lange nach einem verborgenen Subtext suchen muß, eingeblendet werden, weist nur noch mehr auf die Diskrepanz bezüglich des Images der agierenden Figuren hin. Denn als Archetypen wurden die Beatles konzipiert, und sie bemühten sich bis an ihr Karriereende vergeblich, dieser Typisierung zu entfliehen.

6.
Während A Hard Day's Night noch ins Konzept der Teenie-Band-Repräsentationen paßte, ging Lester mit Help! einen anderen Weg. Teils James Bond-Parodie, teils Monty Python-Vorläufer, ist Help! zumindest optisch, ein typisches, äußerst visionäres Werk der englischen Pop-Art. Die banale Story wird durch erzählerische Brüche untergraben, die kulturgeschichtlich allein schon deswegen von Interesse sind, da sie eine einzigartige Ästhetik transportieren, welche ausschließlich in künstlerischen Ausdrucksformen der Jahre 1965-1969 zum Tragen kam: Die Überblendung von Bild und Schrift zum satirischen Zweck der Unterminierung der Narrative, zeitlich aufgesprengt durch erhebliche Divergenzen in der Struktur. Ein Beispiel: Nach etwa 30 Minuten kommt eine Ankündigung: "End of Part One". Es gibt ein surreales, 2-sekündiges "Intervall", dann kommt ein vollkommen aus dem Zusammenhang gerissener "Part 2", der etwa 5 Sekunden dauert, bevor "Part 3" wieder an die eigentliche Geschichte anknüpft.

Doch die Unterminierung der allgemeinen Sehgewohnheiten geht noch viel weiter, denn einerseits wird hier eine Geschichte erzählt, die so dumm und langatmig wie kaum eine zweite ist, also perfekt ins Schema des Teenie-Band-Films paßt, andererseits ist sich Lester zu jeder Zeit um die Albernheit der Medienmaschinerie bewußt und attackiert seinen eigenen Film mit endlosen Brüchen sowohl auf narrativer Ebene (die nach den Gesetzen des Surrealismus eher einer Traumlogik folgen) als auch bezogen auf das Image der Beatles, das ständig karikiert und persifliert wird. Man achte nur auf die Wohnung, bei der jeder einen eigenen Eingang in Form eines Liverpooler Arbeitersiedlungs-Hauses hat, die aber im Inneren nur ein großes, postmodernes Wohnzimmer ist. Hier kollidieren Homosexualitäts- und Klassendiskurse mit einer Kritik am Star-System. Jedoch kann man das ganze auch als großen Witz verstehen. Wie im übrigen den ganzen Film.

Sascha Seiler



und Die Lesterzungen

Zitat:
In seinen Verfilmungen der Drehbücher von George MacDonald Fraser erreichte Richard Lesters subversiver Humor neue Höhepunkte. Im vermeintlichen Kriegsheldenfilm Royal Flash fand er ausschließlich vor der Kamera statt, in den Musketier-Filmen gelegentlich auch dahinter.

Schon mal jemandem aufgefallen, daß Biopics nur funktionieren, wenn sie im Stile der porträtierten Person inszeniert wurden? "Kinsey" ist eine kontroverse Sexualstudie geworden, "Gandhi" eine bewegende Predigt, "Chaplin" humanitär angehauchter Slapstick und "The Aviator" ist schlicht größenwahnsinnig. Im Gegenzug mangelt es den Swing-Biographien "Beyond the Sea" und "De-Lovely" am nötigen Schwung, und die "Wilde"-Biographie wäre bei Kritik und Kasse keineswegs so kläglich verreckt, wenn sie den scharfzüngigen Witz ihres Protagonisten gezeigt hätte, anstatt als laues Dramödchen vor sich hinzumäandern.

Müßte man unter diesen Vorgaben einen Film über das Leben Richard Lesters inszenieren (und warum ist eigentlich noch niemand auf diese Idee gekommen?), sollte es sich zweifellos um eine Big-Budget-Produktion handeln, die in anarchischem Spaß zuerst die samtenen Kostüme des All-Star-Cast in einer Tortenschlacht ruiniert und dann die teuren Prunkbauten abfackelt, während ein kleiner Junge kichernd dabei zusieht und ein Liedchen pfeift. (Und Steven Soderbergh müßte natürlich Regie führen, aber das steht auf einem anderen Blatt.)

Der Höhepunkt eines solchen Filmes wäre vermutlich die Entstehungsgeschichte der Musketier-Filme, ein in der Hollywood-Historie immer noch beispielloses Bubenstück. Anfang der 70er war es ruhig geworden um Lester, der ein komplettes Jahrzehnt damit überlebt hatte, großen Hollywood-Studios Kriegskomödien und Sexsatiren an und abzudrehen. Vier Jahre lang kein Film, er stand unter Erfolgsdruck, als sich die Chance ergab, eine Neuversion von Dumas' "Die Drei Musketiere" zu inszenieren. Er hatte schon früher mit dem Gedanken an eine Verfilmung gespielt, damals allerdings mit den Beatles in den Hauptrollen, nur schrieb man inzwischen das Jahr 1973, und die Fab Four würden nicht einmal mehr gemeinsam Kaffee trinken, geschweige denn einen Film zusammen drehen. Statt dessen wurde eine internationale Starbesetzung für den in der Industrie hoch geschätzten Lester zusammengesucht: Heston, Dunaway, Welch, Chamberlain, Reed und Lee sind nur die allerberühmtesten Namen, die sich volle sechzehn Wochen lang gutgelaunt am spanischen Set tummelten. Und Lester hat sie alle fein säuberlich über den Tisch gezogen.

Der erste Verdacht kam nach der Heimkehr, als die Stars voller Erstaunen in den Branchenblättern lesen konnten, Lester habe in Spanien zwei Filme gedreht, die im Abstand von einem Jahr im Kino starten sollten. Zwei Filme? Es wurden doch nur Gagen für einen Film gezahlt. Hektisch wurden Verträge gewälzt. Und da stand es: Lester und seine Produzenten hatten in allen Verträgen das Wort "Film" durch "Projekt" ersetzt. Die gesamte Besetzung klagte schließlich und bekam vor Gericht auch etwas Geld zugesprochen - aber immer noch wesentlich weniger als eine volle zusätzliche Gage. Lester hatte zwei Filme zum Preis von einem gedreht.

Es war vermutlich das letzte, wenn nicht gar das einzige Mal, daß man einen erfolgreichen Versuch startete, namhafte Hollywoodstars aufs Kreuz zu legen, und der Trick verdient einen gewissen Legendenstatus in den Handbüchern für Schauspielagenten. George MacDonald Fraser, der Lester die Drehbücher für seine Musketier-Filme und sowohl Romanvorlage als auch Skript zu der Heldenfarce "Royal Flash" geliefert hat, würde aus dieser Anekdote sicher ein paar gute Szenen ziehen können.

Daß der Skandal sich in Grenzen hielt, hatte sicherlich auch damit zu tun, daß die "beiden" Filme große Kassenerfolge wurden und sich immer noch anhaltender Beliebtheit erfreuen. Das erstaunt nicht, schließlich funktionieren sowohl "The Three Musketeers" als auch "The Four Musketeers" wie geschmierte Uhrwerke: Die Stunts sind haarsträubend, der Humor pendelt zwischen den Marx Brothers und Monty Python, die Damen sind ebenso bezaubernd wie schlagfertig, die Bösewichte blicken finster und tragen bevorzugt Augenklappe, und die Fechtszenen wirken gleichermaßen furios und ausgefallen.

Technisch dagegen führt der Meister eine ruhige Hand: Wie so viele seiner Filme sind die "Musketeers" und "Royal Flash" ein Beweis für das falsche Klischee von Lesters rauschhaftem Stakkato-Schnitt: Hier bleibt seine Kamera behäbig und konventionell, manchmal gar statisch, sie ist eindeutig mehr am langfristigen Überblick mit vielen gleichzeitig sichtbaren Handlungen interessiert als an beschleunigter Detailselektion. Außer auf den fabelhaften Oliver Reed, dem es als betrunkener Athos manchmal auf unerklärliche Weise gelingt, einen Schuß echter Tragik in die Burleske zu kippen, gibt es auch kaum Close Ups zu verzeichnen - kein Vergleich zum hektisch geschnittenen Handkamerastil, der Lester seit seinen Frühwerken als vermeintliche technische Handschrift untergeschoben wurde.

Aber die Filme sind auch inhaltlich mehr als nur Höhepunkte des gediegenen Swashbucklings. Politisch wie moralisch lauern gähnende Abgründe dem unbedarften Zuschauer entgegen - und das nicht nur, wenn D'Artagnan innerhalb einer halben Stunde vier Frauen beehrt, dabei zwei Betten in Trümmer legt und sich anschließend an und dann auszieht, um seine "Geliebte" aus den Händen der Schurken zu befreien. Diese Art der geschlechtlichen Allmachtsphantasie ist für den erklärtermaßen "anti-sentimentalen" Lester weniger eine Folge des sexuellen Befreiungskampfes der 60er als vielmehr eine konsequente Spielart des (Super-)Heldenepos, wie man sie in jedem James-Bond-Film bewundern darf: Fiesling töten, Spruch klopfen, Frau beglücken.

Passend dazu (und an dieser Stelle auch noch einmal wärmstens empfohlen) ist die legendäre deutsche Synchronfassung vor allem der "Vier Musketiere", die den Film deutlich bereichert. Da werden, ganz im Sinne der Inszenierung, aus "Nonnen" schon mal "Nutten", und manchem lippenbewegten Lakaien werden schnell noch "Grüße an die Frau Gemahlin" mitgegeben, bevor er umgehauen wird.

Besonders hervorzuheben an Frasers Drehbüchern aber ist eine beißende Obrigkeitskritik, die Lester dankbar verwertet. Selten wurde adlige Dekadenz so ätzend karikiert wie in den Lester/Fraser-Filmen - und selten machte sie so viel absurden Spaß. Die Königin, deren zweifelhafte Ehre zu retten einen klassischen MacGuffin der "Musketeers"-Filme darstellt, beschwert sich, daß ihr wegen dieses "Scheiß-Religionskriegs" die guten Kleider ausgehen, während ihr Gemahl bevorzugt beim Posieren auf hölzernen Ersatzpferden gezeigt wird oder im Palasthof eine Partie Schach mit abgerichteten Dalmatinern als Figuren spielt. In Royal Flash wird dieser Gedanke dann auf die Spitze getrieben, wenn die höfische Gesellschaft sich mit Hilfe eines Kammerorchesters bei einer "Reise nach Jerusalem" vergnügt - infantiler geht's nicht.

Überhaupt ist "Royal Flash", kurz nach dem "Musketeers"-Projekt entstanden, ein einziger respektloser Mittelfingersalut an die vermeintliche Heroisierung des Adels in anderen Mantel-und-Degen-Filmen. Der Protagonist Harry Flashman ist ein Säufer, Weiberheld, Dieb und Feigling, der durch ein ungerechtes Schicksal zum Kriegshelden ernannt und dann auf die feinere Gesellschaft der europäischen Fürstenhäuser losgelassen wird. Schon die filmische Exposition des Charakters vor dem ausgerollten Union Jack ist eine schmerzhaft komische Angelegenheit, und auch fortan gewinnt Flashman keinen einzigen Fechtkampf, er ist ein unpolitischer Trottel, der sprichwörtlich am Kleidersaum von schönen Frauen in eine internationale Intrige gezogen wird. Malcolm McDowell spielt diesen Antihelden mit herrlich pomadiger Ignoranz und darf sich zur Belohnung mit einer Haarbürste an einer fürstlichen Sadomaso-Konkubine austoben und von deutschen Bösewichten zu den Melodien des "Walkürenritts" beinahe kastrieren lassen. Die schon in den "Musketeers"Filmen grenzwertig ironischen Fechtszenen haben hier längst jede Geschmacksgrenze hinter sich gelassen (man beißt, kitzelt oder tritt in den Unterleib), und nachdem der Protagonist seiner fünfzehnten Eroberung die Liebe gesteht, darf er sich auch schon mal mit nachdenklicher Einsicht ans Kinopublikum wenden: "Ich glaube, ich liebe sie wirklich. Irgendwie. Ach, ist auch egal."

"Royal Flash" endet mit zwei Dieben, die sich in einer weiten, verlassenen Schneelandschaft unterhalten, während das Chaos, das in mehreren europäischen Fürstentümern angerichtet wurde, nicht mehr erwähnt wird. Der Film über Richard Lester müßte wohl etwas von der weltlichen Realität abweichen, um ein solch listiges und versöhnliches Ende zu finden. Denn in Wirklichkeit war Lesters letzter Film eine in vielerlei Hinsicht eher traurige Angelegenheit: Als er beinahe fünfzehn Jahre nach den ersten Dreharbeiten zu den "Musketeers" zu einem weiteren Sequel rief, kamen wieder alle angeströmt (sogar Christopher Lee, dessen Charakter eigentlich den Degentod gestorben war - aber wer könnte schöner von den Toten auferstehen als Lee?). Die Gründe, warum "The Return of the Musketeers" ein eher fader Film wurde, der weder vor noch hinter der Kamera an alte Qualitäten anknüpfte, ist sicher bei allen Beteiligten individuell zu suchen. Im Falle von Lester jedenfalls hing es mit dem Tod Roy Kinnears zusammen, der während der Dreharbeiten bei einem Reitunfall umkam. Neun Filme hatte Lester mit Kinnear gedreht, und der Tod des langjährigen Freundes und Spaßkollaborateurs brach ihm nicht nur das Herz, sondern veranlaßte ihn auch, seine Karriere als Filmemacher endgültig zu begraben. Vermutlich werden Lester und Kinnear sich eines Tages im Himmel begegnen und sich in einer weiten, verlassenen, schneeweißen Landschaft unterhalten, während die Kamera langsam von ihnen wegzoomt. Und schließlich abblendet.

Daniel Bickermann
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